Zwei molekulare Maschinen inflagranti unter dem Elektronenmikroskop

13. März 2018
Wissenschaftlern des Max-Planck-Institutes für Biochemie ist es nun zum ersten Mal gelungen die Struktur zweier großer molekularen Maschinen in ihrem natürlichen Zusammenspiel darzustellen. In Kooperation mit Forschern der Universität Heidelberg untersuchten sie die Interaktion zwischen dem Ribosom und dem Exosom. An den Ribosomen werden mithilfe der Ribonukleinsäure (RNA) Proteine hergestellt. Das Exosom wiederum ist für den Abbau von RNA verantwortlich. Die Betrachtung der Interaktion zweier molekularer Maschinen mittels Kryo-Elektronenmikroskopie erlaubt einen besseren Einblick, wie diese Maschinen physiologisch miteinander arbeiten. Die Studie erschien jetzt in Science.

Anhand einer Bauanleitung, der Boten-RNA oder mRNA, entstehen an den Ribosomen, den Proteinfabriken der Zelle, lange Ketten aus einzelnen Proteinbausteinen. Diese Ketten werden später zum fertigen Protein gefaltet. Wird die mRNA nicht mehr benötigt oder ist fehlerhaft, muss sie abgebaut werden. Diese Aufgabe übernimmt das Exosom. Bisherige Studien haben sich stets mit der abbauenden, destruktiven Funktion des Exosoms beschäftigt, welche – vergleichbar mit einem Abbrucharbeiter – die RNA vollständig zerlegt. Im Gegensatz dazu nahm diese Studie nun die Präzisionsarbeit, also die konstruktive Funktion, des Exosoms genauer unter die Lupe.

Präzisionsarbeit des Exosoms
Ribosomen sind selbst auch große Proteinkomplexe, die im Zellkern gebildet werden müssen. Während dieses Reifeprozesses, also der Fertigstellung einer neuen Proteinfabrik, bindet das Exosom an eine Vorstufe des Ribosoms und baut gezielt einen abstehenden Teil des Ribosoms ab. Genau dieses Zusammenspiel von Exosom und Ribosom haben Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Biochemie um Elena Conti, Direktorin der Abteilung „Zelluläre Strukturbiologie“ in Kooperation mit Ed Hurt von der Universität Heidelberg nun strukturell untersuchen können. „Das ist vergleichbar mit der Arbeit eines Steinmetzen, der mit Hammer und Meißel gezielt Stein abträgt und so eine präzise Struktur schafft“, erklärt Sebastian Falk, einer der Erstautoren der Studie neben Jan Schuller.

Exosom und Ribosom inflagranti erwischt
Die Forscher nutzten die Methode der Kryo-Elektronenmikroskopie, die 2017 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde, um die beiden molekularen Maschinen gemeinsam zu untersuchen. Dazu wurden die diese bei sehr niedrigen Temperaturen blitzschnell eingefroren. Die Wissenschaftler errechneten aus den Daten des Elektronenmikroskops die Struktur und kombinierten sie mit Daten aus der Röntgenstrukturanalyse der Abteilung Conti zu einem Modell.

Exosom-Expertin Elena Conti erklärt: „Eines meiner langjährigen Ziele war es, eine Momentaufnahme des Exosoms im Kontext mit einem zellulären Substrat zu erhalten.“ Jetzt haben Conti und ihr Team im Wesentlichen das Exosom und das Ribosom dabei beobachtet, wie sie interagieren und zusammen funktionieren. „Diese Studie ist der Höhepunkt von vielen Jahren harter biochemischer und struktureller Arbeit“, ergänzt Conti.

Neue Ära der Strukturbiologie
Bisherige Arbeiten im Feld der Strukturbiologie haben sich stets mit einzelnen molekularen Maschinen beschäftigt. „Uns ist es nun zum ersten Mal gelungen zwei große molekulare Maschinen gemeinsam zu visualisieren. Somit haben wir sie nicht mehr einzeln, isoliert betrachtet, sondern deren Zusammenspiel erforscht. Hiermit wird die physiologische Umgebung in Betracht gezogen, womit diese Studie den Übergang in eine neue Ära der Strukturbiologie darstellt.“ erklärt Conti die Bedeutung der Studie.

SSch/SiM

Originalpublikation:

J. Schuller, S. Falk, L. Fromm, E. Hurt, E. Conti: Structure of the nuclear exosome captured on a maturing preribosome, Science, März 2018

DOI: 10.1126/science.aar5428

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