Bauanleitung für Proteine: Wie die mRNA ihre finale Form bekommt

Ein Team des Max-Planck-Instituts für Biochemie in Martinsried und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg hat herausgefunden, wie ein wesentlicher letzter Schritt bei der Herstellung von mRNA genau funktioniert.

21. Februar 2022

Ein komplexes Zusammenspiel von Proteinen ist nötig, damit in menschlichen Zellen aus einem Vorläufer-Molekül die sogenannte „messenger RNA“ (mRNA) entsteht. Diese fungiert als Bauanleitung für Proteine und stellt zum Beispiel auch die Grundlage für die ersten Impfstoffe gegen das Coronavirus dar. Wie ein essentieller Teilschritt bei der Herstellung der mRNA im Detail abläuft, hat erstmals ein Team des Max-Planck-Instituts (MPI) für Biochemie in Martinsried und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) herausgefunden. Über ihre Arbeit berichten die Forschenden in der Fachzeitschrift Genes & Development.

Proteine sind für alle lebenswichtigen Prozesse im Körper verantwortlich. Die Gene im Erbgut sind gewissermaßen die Bauanleitung für sie. Damit neue Proteine gebildet werden können, ist jedoch noch ein Zwischenschritt nötig: „Die DNA muss zunächst übersetzt werden. Zuerst wird eine kettenförmige Vorläufer-RNA als genaue Kopie der DNA hergestellt. Daraus entsteht dann durch mehrere Schritte die reife mRNA. Erst mit dieser ist es der Zelle möglich, neue Proteine zu bilden“, sagt der Biochemiker Prof. Dr. Elmar Wahle von der MLU. Er hat die Arbeit gemeinsam mit Prof. Dr. Elena Conti, Expertin für Strukturbiologie am MPI für Biochemie, geleitet.

Für Fehler ist in diesem komplizierten Prozess kein Platz: Bereits kleinste Veränderungen in der Struktur eines Proteins können seine Funktion beeinträchtigen und zur Entstehung von Krankheiten führen. „Die mRNA legt nicht nur die Struktur eines Proteins fest, sondern auch, wie viel davon hergestellt wird. Deshalb ist es wichtig, dass auch die Struktur der mRNA genau kontrolliert wird“, so Wahle weiter. Klar war bereits, welche Proteine beim Ablesen und Übersetzen der DNA in die Vorläufer-RNA beteiligt sind. Bei der Prozessierung zur reifen mRNA war aber ein wichtiger Teilschritt bislang nur in groben Zügen bekannt: Zunächst werden die Ketten der mRNA-Vorläufer an einer bestimmten Stelle gespalten, damit einheitliche Produkte entstehen. Anschließend wird an ein Ende des Strangs eine lange Molekülkette gehängt, der sogenannte Poly(A)-Schwanz. Er sorgt dafür, dass die mRNA in den Zellen nicht direkt wieder zersetzt wird, und er ist auch für die Proteinsynthese wichtig.

Gemeinsam wollten die Forschenden aus  Martinsried und Halle diese letzten Schritte bei der Herstellung der mRNA genauer untersuchen. Dafür hat das Team der MLU zunächst in mühevoller Detailarbeit den Prozess im Reagenzglas nachgestellt: Aus 80 Kandidatenproteinen mussten die richtigen ausgewählt und im richtigen Mischungsverhältnis mit der Vorläufer-RNA kombiniert werden, damit beide Reaktionen abliefen. Am MPI haben die Forschenden den Vorgang mit Hilfe der Kryo-Elektronenmikroskopie genauer untersucht. „Wir haben im Prinzip die Situation in einer normalen Zelle nachgebaut, wobei es in der Natur wahrscheinlich noch einmal komplexer ist“, sagt Wahle. 16 Proteine sind demnach an der Fertigstellung der finalen Moleküle beteiligt. „Der Prozess ist universell gültig, er betrifft jede Zelle und jede mRNA im Körper“, sagt Felix Sandmeir vom MPI für Biochemie.

Der Vorgang ist bei der Produktion der Impfstoffe von Pfizer/Biontech und Moderna sehr viel einfacher gestaltet: „Die mRNA wird zwar nach dem gleichen Prinzip produziert, allerdings kommen im Gegensatz zur menschlichen Zelle sehr einfache Enzyme zum Einsatz, und die komplizierte Umwandlung eines Vorläufers in die reife mRNA lässt sich umgehen“, sagt Wahle abschließend [TL].

Die Arbeit wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert.

Originalpublikation:
M. Schmidt, F. Kluge, F. Sandmeir, U. Kühn, P. Schäfer, C. Tüting, C. Ihling, E. Conti, E. Wahle: Reconstitution of 3’- end processing of mammalian pre-mRNA reveals a central role of RBBP6, Genes & Development, Februar 2022

DOI: 10.1101/gad.349217.121

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