ERC-Synergy Grant für Biophysikerin Petra Schwille
Petra Schwille, Direktorin am MPI für Biochemie in Martinsried, erhält zusammen mit Bert Poolman, Professor für Biochemie an der Universität Groningen, Niederlande, einen ERC Synergy Grant für das MetaDivide-Projekt.
Was ist eine Zelle? Dieser Frage widmen sich die Biophysikerin Petra Schwille und der Biochemiker Bert Poolman. Sie sind weltweit führend auf dem Forschungsgebiet der synthetischen Biologie. Beide bauen zelluläre Systeme mit wenigen Komponenten nach, um die grundlegenden Prozesse des Lebens zu verstehen. Während sich Petra Schwille auf die Zellteilung fokussiert, beschäftigt sich Bert Poolman in seiner Forschung mit Stoffwechselprozessen. Im Projekt MetaDivide wollen sie jetzt mit ihren sich ergänzenden Expertisen ein minimales zellähnliches System nachbauen, das sich autonom teilen kann und die Energie dafür selbst herstellt. Dafür erhalten die Wissenschaftler eine sechsjährige Förderung des Europäischen Forschungsrats (European Research Council, ERC) von insgesamt 5 Millionen Euro.
Wie funktioniert das Leben in seiner einfachsten Form? Befasst man sich mit den biologischen Details, ist diese grundlegende Frage für Wissenschaftler*innen bis heute in vielen Aspekten noch nicht beantwortet. Die Zelle, die kleinste Einheit des Lebens, zeichnet sich durch Abgrenzung von der Umgebung, genetische Vervielfältigung, Stoffwechsel, Wachstum, Entwicklung und die Fähigkeit zur Reaktion auf Reize aus.
Petra Schwille und Bert Poolman untersuchen seit vielen Jahren die Grundprinzipien des Lebens – mit sich ergänzenden Fragestellungen und Forschungsansätzen. Beide Wissenschaftler arbeiten auf dem Gebiet der synthetischen Biologie und versuchen, einfache biologische Systeme von Grund auf, also „Bottom-Up“ zu konstruieren, indem sie individuelle biochemische Bestandteile in einer kontrollierten Weise kombinieren und arrangieren. Eine minimale Zelle aus unbelebten Teilen zu bauen, ist bis heute ein Traum der synthetischen Biologie.
Petra Schwille und ihr Team erforschen seit vielen Jahren, welche und wie viele Komponenten benötigt werden, damit sich eine Zelle teilen kann. Dafür stellen sie künstliche Zellhüllen her. Mit diesen biologischen Membranen reagieren im Labor produzierte Proteine so, dass sie eine Teilung ermöglichen.
Bert Poolman, Biochemiker an der Universität in Groeningen in den Niederlanden, arbeitet am minimalen Stoffwechsel. Er untersucht, wie Moleküle biologische Membranen durchdringen, wie das Volumen und die Physikochemie der Zelle kontrolliert wird. Er beschäftigt sich auch mit der Frage, welche Aufgaben eine lebende Zelle mindestens erfüllen sollte und wie diese mit einem minimalen Satz an Komponenten erreicht werden kann.
Im Projekt MetaDivide wollen Petra Schwille und Bert Poolman mit ihren Teams aus unbelebten Bestandteilen, also Proteinen und biologischen Membranen, eine etwa bakteriengroße künstliche Zelle herstellen, die Teilaspekte des Lebens zeigt. Dafür müssen selbstorganisierende membranaktive Proteinmaschinen in die Zelle eingeschlossen werden und durch einen sich selbst erhaltenden Stoffwechsel angetrieben werden. Die künstliche Zelle soll in der Lage sein ein physikochemisches Gleichgewicht aufrecht zu erhalten und sich selbstständig zu teilen. Die Integration der Membranbiologie und der minimalen Stoffwechselforschung in einem biologischen System wird den Wissenschaftler*innen neues Verständnis über die Grundprinzipien des Lebens liefern.
Über Petra Schwille
Petra Schwille studierte Physik und Philosophie an den Universitäten Stuttgart und Göttingen. Sie promovierte bei Nobelpreisträger Manfred Eigen am MPI für biophysikalische Chemie in Göttingen (heute MPI für Multidisziplinäre Naturwissenschaften). Nach einem Postdoc-Aufenthalt an der Cornell University, Ithaca, New York, USA, kehrte sie 1999 ans MPI für biophysikalische Chemie in Göttingen, Deutschland zurück, wo sie ihre eigene Nachwuchsgruppe leitete. 2002 folgte sie einem Ruf auf den Lehrstuhl für Biophysik am Biotechnologischen Zentrum (BIOTEC) der Technischen Universität Dresden, den sie bis April 2012 innehatte. Seit 2011 ist Petra Schwille Direktorin am MPI für Biochemie und leitet die Forschungsabteilung „Zelluläre und molekulare Biophysik“. 2012 wurde sie außerdem Honorarprofessorin an der Fakultät für Physik der LMU. Petra Schwille wurde mit einer Vielzahl von Preisen ausgezeichnet, unter anderem den Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis 2010 der Deutschen Forschungsgemeinschaft und die Otto Warburg-Medaille der GBM in 2022. Sie ist Trägerin des den bayerischen Maximiliansordens und des Verdienstkreuzes Erster Klasse der Bundesrepublik Deutschland. Neben ihren wissenschaftlichen Tätigkeiten wird Petra Schwille gern auch als Expertin zu naturwissenschaftlichen, philosophischen und gesellschaftlichen Themen auf Kulturveranstaltungen eingeladen, und ist sehr aktiv im Mentoring für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.
ERC Synergy Grants
Die hochkompetitiven ERC Synergy Grants sind ein sehr hoch dotiertes Förderinstrument in Europa. Sie ermöglichen einem Team von Spitzenforschern, komplementäre Fähigkeiten, Ideen, Wissen und Infrastrukturen zusammenzubringen, um gemeinsam einige der spannendsten und kompetitivsten Fragen der modernen Wissenschaft zu erforschen.
Weitere Informationen: https://erc.europa.eu/apply-grant/synergy-grant